22 Kirche
und


Kunst

Kirche und Kunst 22

Gestaltungsprozesse Akrobatisch – das künstlerische Gesamtkonzept der Kirche in Weisendorf


von Helmut Braun

Die mittelalterliche Chorturmkirche mit ihrem eingezogenem achtseitigen Spitzhelm steht in der Ortsmitte von Weisendorf, nördlich des alten Marktplatzes und prägt diesen Ort wesentlich.

Die Kirche ist ein in die bayerische Denkmalliste eingetragenes Denkmal: „Evangelisch-lutherische Pfarrkirche. Chorturmkirche, 15. Jahrhundert, Langhaus im 18. Jahrhundert umgebaut; mit Ausstattung. Reste der Friedhofsbefestigung, 16. Jahrhundert.“

Im Zuge der Gesamtsanierung wurde auch eine Neugestaltung der liturgischen Raumdisposition vorgeschlagen. Der Altar soll nach vorne rücken und frei im Raum stehen. Die Kanzel soll axial hinter dem Altar den Ort der Rede konzentrieren. Zur Gestaltung der Prinzipalia und des gesamten Raums wurden die Bildhauerin Meide Büdel und der Maler Gerhard Rießbeck beauftragt, einen künstlerischen Gesamtentwurf zur liturgischen Raumgestaltung zu entwickeln.

Meide Büdels Konzeption der Prinzipalia ist komplex. Die Mitte des Raumes bildet ein kubischer Altar aus weißem Alabasterbeton. Als Mensa dient eine Platte aus dunkel brüniertem, 30 mm starkem Stahl. Er wirkt kraftvoll, gibt Halt und erdet den gesamten Raum. Hinter dem Altar, leicht von der Wand abgerückt, erhebt sich ein beidseitig über drei Treppenstufen zu erreichendes Podest, ebenfalls aus Alabasterbeton. Darüber „schwebt“ ein mit Edelstahlseilen im Raum verspannter, massiver Stahlkubus, ebenfalls brüniert und dunkel schimmernd. Er ist der energetische Schwerpunkt und zusammen mit dem Altar der Anker im Raum, er ordnet und konzentriert, – formal und inhaltlich: Es ist der Ort der Rede, die Kanzel. Durch den Kubus laufen die Edelstahlseile zum Podest und sind in diesem unsichtbar verankert. In den Seilen schwebt der historische Christuskorpus, gelöst vom dunklen, großen Holzkreuz. Er scheint frei im Raum zu schweben in kontemplativer Leichtigkeit.

Gerhard Rießbeck verbindet die heterogenen Elemente der Kirche, also die zwei Chorkapellen mit ihren neuen Fenstern, die wuchtigen Emporen und die gewölbte ungegliederte Decke optisch und inhaltlich. Ausgangspunkt seiner Überlegungen waren dabei die beiden Fenster der Chorkapellen und die Kapellen selbst. Jene sind ausgestattet mit dem Taufbecken und die andere mit einer Grablege. Das Thema Anfang und Ende eines Menschenlebens klingt hier an. Bei der Gestaltung der Fenster hat der Künstler daher ganz konkret die Vorstellung eines Bandes verwendet, um eine Art Lebenslauf mit Anfang und Ende, Verbindungen und Verwicklungen darzustellen. Beim Fenster in der Taufkapelle ist es ein dichtes Netz und bei der Grablege sich öffnende Knoten und ein loses herabhängendes Ende.

Das künstlerische Gesamtkonzept ist mit dem Kirchenraum, seiner Architektur, seiner Geschichte und seiner Nutzung verbunden. Die achtsame Sanierung durch das Erlanger Architekturbüro Hartmut Kwasny, die neue Fassung der Raumschale, die denkmalpflegerisch relevante Verlegung der historischen Bodenplatten – all das trägt nicht nur zu diesem Konzept bei, sondern bildet die unverzichtbare Grundlage dazu. Die Vertreter der Denkmalschutzbehörde tragen das Sanierungskonzept vollumfänglich mit, da auch sie sich der Bedeutung dieses Sakralbaus für den Ort und den Dekanatsbezirk Erlangen bewusst sind. Die Kirchengemeinde hat ein ikonographisch durchdachtes und in formaler Kongruenz außergewöhnlich und singulär gestaltetes Raumkonzept erhalten.

Bildrechte
Meide Büdel: 1, 3
Gerhard Rießbeck: 2